Bundesweit
Wiederaufnahmeverfahren
Die Wiederaufnahmegründe gem. § 359 StPO
§ 359 Nr. 1 Unechte oder verfälschte Urkunden
gem. § 359 Nr. 1 StPO ist die Wiederaufnahme möglich, wenn zuungunsten des Antragstellers im Strafverfahren eine unechte oder verfälschte Urkunde als Beweismittel herangezogen wurde und dies für eine Verurteilung mitursächlich war.
Im Sinne des § 359 Nr. 1 StPO ist der Urkunden Begriff nur sehr eng auszulegen. Urkunden sind demnach nur schriftliche Gedankenerklärungen die beweisgerichtet und handschriftlich unterzeichnet sind (vgl. Marxen/Tiemann Rdnr. 137). Damit ist der Urkundenbegriff wesentlich enger ausgelegt als der materiellrechtliche Urkundenbegriff. Materiellrechtlich ist eine Urkunde jeder verkörperter Gedankenerklärung die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und ihren Verfasser erkennen lässt. Dieser Urkundenbegriff widerspricht im Rahmen der Wiederaufnahme jedoch völlig der restriktiven Auslegung und kommt folglich nicht zur Anwendung.
Wenn in der Hauptverhandlung die Urkunde unter Rücksicht der Prozessordnung in die Hauptverhandlung eingebracht wurde, gilt sie als echt vorgebracht und hat sie zudem auch noch zu der Verurteilung beigetragen, beziehungsweise wurde bei der Urteilssprechung berücksichtigt, hat sie sich auch zuungunsten des Verurteilten ausgewirkt.
Auch in den Wiederaufnahmegründen direkt ist ein schlüssiger Sachvortrag nicht entbehrlich, so dass der Rechtsanwalt oder der Antragsteller in der Antragsbegründung die vermeintliche Urkunde sowie die Tatsachen genau benennen, die zu der Verurteilung geführt haben. Ferner muss er darlegen, dass die Verwendung der Urkunde tatsächlich mitursächlich für die Verurteilung war und sich somit zu seinen ungunsten ausgewirkt hat.
Häufig ist das Urteil selbst das geeignete Beweismittel, da die unechte oder verfälschte Urkunde als Beweismittel in den Prozess eingeführt wurde.
Falsche Aussagen oder Gutachten
Wenn ein Zeuge sich zuungunsten des Antragsstellers oder ein Sachverständiger durch ein zuungunsten des Antragsstellers erstellten Gutachtens einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen uneidlichen Falschaussage schuldig gemacht haben, kommt § 359 Nr. 2 in betracht.
Zeuge ist jede Person, die im Ermittlungs- Zwischen- und Hauptverfahren als Zeuge vernommen worden ist.
Eine bloße Behauptung, der Zeuge habe falsch Ausgesagt, ist hier nicht ausreichend. § 359 Nr. 2 setzt voraus, das der Zeuge tatsächlich eine Straftat gem. §§ 153-155, 163 StGB begangen hat und sich diese zuungunsten des Antragstellers ausgewirkt hat.
Dieser Wiederaufnahmegrund ist in der Regel nur als schlüssiges und geeignetes Beweismittel im Sinne des § 359 Nr. 2 StPO gegeben, wenn gegen den Zeugen oder Sachverständigen ein Urteil wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen uneidlichen Falschaussage ergangen ist.
Strafbare Amtspflichtverletzung
Auch wenn § 359 Nr. 3 StPO in der Praxis kaum zur Anwendung kommt, soll kurz auf die Voraussetzungen zu diesem Wiederaufnahmegrund eingegangen werden.
§ 359 Nr. 3 StPO kommt zu Anwendung, wenn ein bei der Urteilssprechung beteiligter Richter oder Schöffe sich einer strafbaren Amtspflichtverletzung schuldig gemacht hat.
Als Straftat kommt hier nicht nur die Rechtsbeugung gem. § 339 StGB in Betracht sondern z.B. auch Straftatbestände wie Nötigung und Freiheitsberaubung.
Das angefochtene Urteil muss zwar nicht auf der strafbaren Amtspflichtverletzung gestützt sein aber ein klarer Sachbezug muss zwingend vorhanden sein. Sollte jedoch der Antragsteller die strafbare Amtspflichtverletzung selbst verursacht haben, ist eine Wiederaufnahme trotz strafbarer Handlung eines Richters oder Schöffen ausgeschlossen.
Aufhebung eines zivilgerichtlichen Urteils
Sollte einem Strafurteil ein zivilgerichtliches Urteil zugrunde liegen, welches zu einem späteren Zeitpunkt durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben wird, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. m§ 359 Nr. 4 StPO möglich.
In Betracht kommen können hier jedoch nicht nur zivilgerichtliche Urteile, sondern auch Urteile der Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs-, und Finanzgerichte. das gilt jedoch nicht, für die Aufhebung von Urteilen, die einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zum Gegenstand haben.
Folglich muss das neue Urteil inhaltlich abweichend und rechtskräftig geworden sein und gleichwohl muss das aufgehobene Urteil die Grundlage des Strafurteils gebildet haben.
Neue Tatsachen und Beweismittel
Als weiterer und in der Praxis relevanter Wiederaufnahmegrund kommen gem. § 359 Nr. 5 neue Tatsachen und Beweise in Betracht, die sowohl für sich gestellt, als auch in Verbindung mit früheren Beweismitteln, sofern sie bei der Urteilssprechung noch nicht maßgeblich waren, geeignet sind das Wiederaufnahmeziel zu begründen.
Da die Bedeutung dieses Wiederaufnahmegrundes von höchster Relevanz ist, soll in einem gesonderten Beitrag ausführlich darauf eingegangen werden.
Festgestellte Verletzung der Menschenrechtskonvention
Beruht das Strafurteil auf einer Verletzung der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellten Konvention zum Schutze der Menschenrechte, ist ein Wiederaufnahmeantrag gem. § 359 Nr. 6 StPO möglich.
Voraussetzung dafür ist zunächst, eine vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellte Konventionsverletzung, die darüber hinaus noch die Grundlage der mit dem Wiederaufnahmeantrag angefochtenen Entscheidung darstellt. Folglich muss tatsächlich eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrecht vorliegen.
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, ob das Urteil für den Antragsteller milder ausgefallen wäre, wenn es keine Konventionsverletzung gegeben hätte.
Das heißt, die Konventionsverletzung muss sich direkt auf das Strafurteil ausgewirkt haben.
Auch bei reinen Verfahrensfehlern ist es nicht zwingend gegeben, dass das Verfahren ohne die Verfahrensverstöße günstiger für den Antragssteller ausgefallen wäre, obwohl sie konventionswidrig unterlassen wurden.